In der 26. Blognacht fragt Anna, was mich sprachlos macht. Wie immer kommt, erstmal das Brainstorming, ob mich etwas Sprachlos macht und wenn ja was. Oder auch gibt es Missstände, auf die ich aufmerksam machen möchte. Dabei fällt mir mein eigener Weg ein, denn ich so mitmachen musste, um zu lernen meine Bedürfnisse zu kommunizieren. Die Erziehung, die ich genossen habe und die daraus entstandenen Beziehungen, die man so gar nicht wirklich bezeichnen kann. Denn das eine hat dazu geführt, dass das andere noch immer nicht in Gänze möglich ist, oder zumindest nicht so, wie es in meiner Vorstellung vom Gefühl her sein sollte. Um mir da folgen zu können, nehme ich dich mit durch meine Entwicklung, die, wie ich glaube, ziemlich vielen so ergangen ist.

Die Geburt

Ich bin ein Zwilling und wurde in der .. Woche per Kaiserschnitt geboren. Hier ging es schon los, dass man meiner Mutter die Fähigkeit abgesprochen hat, sie wüsste nicht Bescheid, wie der Stand sei. Sie kam ins Krankenhaus und wusste sehr genau, dass sie Presswehen hatte, da man sie nicht ernst nahm, war es schon fast zu spät, denn ein Zwilling 🙋‍♀️ lag vor dem Ausgang und der andere wollte raus. So musste sie in Vollnarkose gesetzt werden und wir wurden rausgeschnitten. Ich nehme an, dass aufgrund der Schwangerschaftswoche nicht davon ausgegangen wurde, dass wir doch schon rauswollten. Hier gingen die Bindungsprobleme schon los, mein Bedürfnis nach Sicherheit und Geborgenheit wurde nicht erfüllte.

Der Brutkasten

Wir wurden wie damals üblich in den Brutkasten gesteckt. Ich weiß nicht wie es heute gehandhabt wird, damals wurde sich aber recht wenig um so einen kleinen Zwerg gekümmert. Die Bindung zur Mutter, die so wichtig ist, wurde nicht beachtet. Ich musste, weil ich so klein war, sogar noch eine Woche länger im Krankenhaus bleiben. Ich gehe davon aus, dass ich ordentlich versorgt wurde, mit Milch und Windeln, dass mich aber keiner in den Arm genommen hat. Gerade als Zwilling, wo man neun Monate im Bauch zusammen verbringt, ist das Bedürfnis nach Zusammengehörigkeit enorm. Zu Hause wurden wir, soweit ich weiß, nur zusammen in die Betten gelegt, wenn der Platz oder die Möbel nicht vorhanden waren. Ich kenne Bilder, wo wir Zwerge der Größe im Kinderwagen zusammen lagen.

Ads Anzeige für Newsletter freebie

Bedürfnisse nicht kommunizieren

Diese frühen Momente in meinem Leben, haben mir beigebracht, dass ich meine Bedürfnisse nicht zu kommunizieren brauche. Denn damals wusste es niemand besser. Ich habe als ich Mutter wurde immer voll stolz gesagt, dass uns meine Mutter nie schreien lassen hat. Das ist nur fast richtig. Denn ein Baby, genauer ein Frühgeborenes, hat gar nicht die Ressourcen, um zu schreien. Bestimmt haben wir uns bemerkbar gemacht, aber darauf hat keiner geachtet. Es war damals noch genauso üblich, nach Uhrzeit zu füttern und zu wickeln.

Schwarze Pädagogik: Kinder haben keine Bedürfnisse

Die Nachkriegszeit und Frau Haarer haben bei einigen Generationen ganz schön was kaputt gemacht. Ich habe Bücher von meiner Mutter in Altdeutsch gesehen, wo beschrieben wurde, wie das Kind sich zu verhalten hat. Also als Neugeborenes hast du deiner Mutter acht Stunden Schlaf zur Erholung zu gönnen. Wie um alles in der Welt kommt jemand auf die Idee, dass ein Baby weiß wie lange acht Stunden sind. Es verschlägt mir die Sprache, wenn ich daran denke, wie viele Kinder damals in dunklen Zimmern allein schreiben gelassen wurden. Die daraufhin verlernt haben, ihre Bedürfnisse zu äußern, weil sie ja nicht gehört wurden. Vielleicht war der ursprüngliche Ansatz dazu da, um gefügige Soldaten für der zweiten Weltkrieg zu kreieren.

Schlaftraining

Heutzutage heißt das ganze Schlaftraining, um den Babys beizubringen allein zu schlafen. Wieso sind Menschen die einzigen „Tiere“ die ihren Nachwuchs allein schlafen lassen wollen? Das erschließt sich mir nicht. Da fragt man sich doch, wo die Bindungsprobleme herkommen. Die Eltern sollen immer nur eine bestimmte Zeit vor der Tür warten, irgendwann „lernt“ das Kind dann allein zu bleiben und hört auf mit weinen. Es dauert zwar länger, aber der Effekt ist derselbe. Das Kind hört auf, sich zu melden und sein Bedürfnis nach Nähe und Geborgenheit zu kommunizieren.

Das Kommunizieren der Bedürfnisse verlernt

Da einige Generationen verlernt haben auf ihre Bedürfnisse zu achten, ist völlig logisch, dass wir mit Volkskrankheiten wie Burnout und Depressionen zu kämpfen haben. Soziale Kontakte sind oft eher Online statt im realen Leben und die meisten möchten gar keine tiefe Bindung eingehen und wenn, dann sind sie oft problematisch. Ich habe starke Probleme damit, Menschen näher an mich ran zu lassen, denn die Angst gleich wieder verlassen zu werden ist enorm. Ich muss gestehen, dass ich auch Kinder wollte, weil, die mich nicht so leicht verlassen können. Wir haben hier also viele Generationen, die in Familien aufgewachsen sind , wo glaubten Kinder sind manipulative Tyrannen. Es gab sicher einige Mütter, die hinter verschlossenen Türen, ganz anders gehandelt haben und jede von ihnen verdient einen Orden. Denn es war damals sicher genauso verrufen, wie heute einem Kind Industriezucker😉 zu geben.

Windelfrei

Als Teilzeit-Windelfrei Mama möchte ich dir das auch noch mit geben. Unsere Gesellschaft hat ein Grundbedürfnis von Babys abtrainiert, das Bedürfnis sich nicht zu beschmutzen. Mit der Formulierung bin ich nicht glücklich mir fällt aber nichts anderes im Moment ein. Es ist in unsere westlichen Welt völlig normal, daß Babys und Kleinkinder in die Windel machen. Warum wir das ganze nicht mehr können weiß ich leider nicht dazu werde ich vielleicht mal eine Expertin befragen. Fakt ist aber, das auch Babys schon ihre Ausscheidungen kontrollieren können und sie nicht in die Windel machen wollen. Leider ist es sehr verbreitet das Kinder erst ab dem 3. bis 5. Lebensjahr fähig sind das zu können. Ich bin davon überzeugt, dass viele Koliken gar keine sind, sondern nur der Wille sie zu entleeren und zwar nicht in die Windel. Mit der Zeit verlernt das Baby dieses Bedürfnis zu kommunizieren und muss es dann später wieder lernen. Und natürlich liegt es nicht daran, dass wir nur Privilegiert sind und uns Windeln leisten können. In Asien ist es ebenfalls üblich die Kinder “unten ohne” zu lassen.

Traumata

Es gibt noch einen weiteren Aspekt, den ich aus meiner eigenen Erfahrung teilen kann. Durch solche Handlungsweisen in Bezug auf die Kindererziehung können Traumas entstehen. Die sind wie in meinem Fall gar nicht absichtlich entstanden. Damals wusste man es nicht besser. Und auch die Eltern, die sich damals an die Methoden von Frau Haarer gehalten haben, wollten für ihre Kinder sicher nur das Beste. Ich bin mir auch sicher, dass es viele Mütter gab, die gegen ihre Bedürfnisse gehandelt haben aus Angst vor den Folgen in der Ehe. Bei mir wurde das Trauma des fehlenden Urvertrauens hervorgerufen. Normalerweise passiert es, dass zum Teil Generationen später, die Nachfahren dieses Trauma nochmal durchleben. Mein erstgeborener Sohn hat doppeltes Pech, denn sein Vater hatte ähnlich Probleme unter anderen Umstände beim Start in diese Welt. So hat er dieses fehlende Urvertrauen von beiden Elternteilen übernommen. Du kannst dir vielleicht vorstellen, wie schwer es für zwei Elternteile ist eine Bindungsstörung zu haben und dann ein Kind, was ständig das Bedürfnis hat, in Beziehung gehen möchte, um Bindung aufzubauen.

Bedürfnisse die erfüllt werden verschwinden

In vielen Ratgebern zur Kindererziehung wird oft geschrieben, daß Bedürfnisse die erfüllt werden verschwinden. Ich bin leider auch davon überzeugt, dass wir über Generationen soviel Traumata entwickelt haben, das es uns noch einige Jahre noch brauchen wird um einen solchen Zustand zu ermöglichen. Ich sehe es gerade an meinem großen Sohn. Der fordert permanent und findet nicht wirklich ein Ende. Ich habe bisher, er ist inzwischen 6 Jahre alt, noch keinen Moment erlebt, wo er einen Zustand beendet hat.

Wie habe ich gelernt, meine Bedürfnisse zu kommunizieren?

Es hat bei mir sehr lange gedauert, bis ich begriffen habe, dass ich eine eigenständige Person bin, die Bedürfnisse hat. Ich habe mich lange durch andere definiert. Ging der besten Freundin oder dem Partner schlecht, ging es mir schlecht und so weiter. Es gab tatsächlich sehr lange kaum Personen in meinem Leben, die mich schlicht nicht gefragt haben, was ich den will. So richtig aufgefallen ist es erst bei meinem heutigen Mann. Der hat öfter gefragt was ich denn will und ich konnte selten eine Antwort drauf geben. Ich musste allerdings zwei Burnouts durchleben, bevor ich begriffen habe, dass es nur mir möglich ist, das zu ändern. Ich habe schließlich Resilienz studiert, um einen Anfang zu machen. Da Wissen allein hat bis dahin aber auch nicht gereicht. Ich musste lernen laut zu kommunizieren, dass ich jetzt Zeit für mich brauche, denn im Alltag mit zwei kleinen Kindern gehe ich oft unter. Das klappt inzwischen sehr gut. Da ich auch die frühen Anzeichen erkennen kann, die mir zeigen, was ich nun brauche. Daraufhin ist mein Workbook „Liebe dein Chaos“ entstanden. Auch wenn der Titel eher darauf schließt, dass du dich besser organisierst, geht es hier auch darum dich richtig abgrenzen zu können und deine Bedürfnisse zu kommunizieren.

Hol dir mein Workbook „Aktionspläne“, um in kleinen Schritten gegen Aufschieberitis anzutreten.